Margarete Weidling-Roehse

Bildhauerin - Emailleurin | Galerie Feuerfarben - Berlin

Evelyn Gesen

Stadtkloster Kiel, November 1998

AUSSTELLUNG MARGARETE WEIDLING – ROEHSE

Figurationen – Bildplatten und Zeichnungen

Unter dem Titel „Figurationen“ zeigt Margarete Weidling-Roehse Zeichnungen und Bildplatten. Die als Bildhauerin ausgebildete Künstlerin ist 1923 in Gütersloh in Westfalen geboren und wird in wenigen Tagen ihren 75. Geburtstag feiern. Sie ist eine der Frauen in der Generation, die zwar bereits zum Kunststudium zugelassen waren, sich aber dennoch einen Zugang zu einem Leben als Künstlerin erkämpfen mussten. Magarete Weidling-Roehse hat typische Erfahrungen einer weiblichen Biographie gemacht und es ist ihr dennoch gelungen sich in diesem Spannungsfeld auch als Künstlerin beständig und geduldig zu entwickeln und zu behaupten.

Nach dem Abitur und dem Ende des Krieges studiert Margarete Weidling-Roehse von 1948 -1953 Bildhauerei an der Kunstakademie in Karlsruhe bei Prof. Carl Trummer. Dort lernt sie ihren späteren Mann, den Architekten Herbert Weidling kennen, mit dem es sie nach Kiel verschlägt. Es folgt die Geburt zweier Töchter. Während dieser Zeit sucht sie in der Beschäftigung mit der Aktzeichnung die Auseinandersetzung mit der menschlichen Figur. Nach der Scheidung baut sie Architekturmodelle und bewirbt sich erfolgreich um Aufträge für die „Kunst am Bau“. Sie entwirft hauptsächlich Brunnengestaltungen, und es kommt zur Ausführung einer Reihe von Entwürfen in Schleswig-Holstein und Kiel. Parallel dazu erfolgt eine Anstellung im Schuldienst als Kunst- und Werklehrerin.

Reste des Materials Kupfer, die bei der Realisierung ihres Wandbrunnens im Innenhof des Biologiezentrums auf dem Universitätsgelände abfallen und das Bedürfnis nach Farbe regen sie seit 1976 zu einer experimentellen Auseinandersetzung mit dem Schmelzverfahren des Emails an. Als Email bezeichnet man den festen Verbund des Metalls, in der Regel des Kupfers, mit einer ihm aufgeschmolzenen Farbglasmasse. Im Hinblick auf eine Vermittlung der ausgestellten Bildplatten besteht aber keine Notwendigkeit, auf die bis zu den Ägyptern zurückreichende Geschichte der Handwerkskunst des Emaillierens einzugehen, weil Margarete Weidling-Roehse die Eigenschaften des Glasflusses nicht im kunsthandwerklichen Sinne herbeiführt, sondern weil sie sie gänzlich unvoreingenommen und experimentell benutzt und zur Wirkung bringt.

Die menschliche Figur steht im Zentrum ihrer Arbeit. Auch aus diesem Grunde firmiert die Ausstellung unter dem Titel „Figurationen“. Sie verbindet zeitlich auseinander liegende Arbeitsphasen und konfrontiert in technischer Hinsicht unterschiedliche Zugänge zu ihrem Thema sowie auch Aspekte von Bildhauerei und Malerei. Die hier ausgestellten Zeichnungen, allesamt älteren Datums, sind „Bildhauerzeichnungen“, als Notate zur Figur in kurzer Zeit vor dem Modell entstanden.

Die auf den entschiedenen Strich reduzierte Zeichnung verfolgt das zügige Erfassen eines Gesamteindrucks in Bezug auf Haltung, Raum und Gestus. Details sind unwichtig. Die Zeichnung verdeutlicht die Konstruktion, die konkave oder konvexe Ausprägung der Form, gegebenenfalls ihre Öffnung in den Raum. Der Gestus der Figur ist eher Resultat als Anlass; sein Ausdruck unverwandt und introvertiert, mal melancholisch, mal skurril, an der Grenze zur Karikatur.

Über die Vertrautheit des Umgangs mit ihr findet die Figur auch Eingang in die Arbeit mit dem Material Email. Isoliert oder zu Gruppen formiert erscheint sie dem Betrachter im Bild. Der technisch bedingte Schmelzvorgang bewirkt aber häufig die Verformung und Auflösung der festen Zeichnung. Der Mangel an Kontrolle, den der Schmelzfluss im Brand provoziert, wird von der Künstlerin nicht als Störfaktor, sondern als Anregung genutzt. Die Bildplatten entstehen in mehreren aufeinanderfolgenden Überarbeitungen. Schicht um Schicht reagiert Margarete Weidling-Roehse auf Resultate aus dem Brennofen, bis am Ende mitunter ein reliefartiger Charakter entstanden ist, eine auf die Fläche zurückgeschmolzene Plastik, die an den Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Arbeit, die Bildhauerei, zurückverweist. Das Ende des Arbeitsprozesses erweist sich jeweils als die summe aller Eingriffe, nicht planbar, immer überraschend anders.

Die Figuren befinden sich eingeschmolzen in landschaftlich naturhaft geprägte Regionen, mal wie in lichtem Gelände, mal wie vom Dickicht üppiger Vegetation eingehüllt. Indem wir, die Betrachter, uns stimmungshaft berührt fühlen, Erinnerungen an nicht genau bestimmbare Momente assozileren, feucht-modrige Weiden, neblige Landstriche, häufig in einer Phase des Übergangs und des Fließens, sind die Eigenschaften der gewählten Arbeitstechnik inhaltlich bedeutsam geworden. In den in uns ausgelösten Befindlichkeiten von Ungewissheit und Befremdung gibt der statuarische Charakter der Figuren Halt.

Evelyn Gesen

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