Margarete Weidling-Roehse

Bildhauerin - Emailleurin | Galerie Feuerfarben - Berlin

Guido Boulboullé – Ausstellungseröffnung

Sehr geehrte Gäste, liebe Carla, lieber Gotthard und liebe Frau Hübner,

ich freue mich, hier in Berlin, in dieser Berliner Galerie die Ausstellung meiner Mutter Erna Boulboullé zu eröffnen. Schließlich ist unsere Familie seit langem in dieser Stadt verwurzelt und meine Mutter hat hier die Bombennächte erlebt, bevor wir evakuiert wurden.

1919 in Essen geboren hat sie ihre künstlerische Ausbildung nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in Göttingen begonnen. Wie viele junge Künstlerinnen und Künstler hat sie sich nach dem ersehnten Ende der NS-Zeit nachdrücklich für einen Neubeginn nicht nur in der Politik, sondern auch in der Kunst engagiert und die neuen Möglichkeiten der abstrakten Malerei mit ihren eigenen Kriegserfahrungen verbunden. Bis zu ihrem Tod 1999 war sie Mitglied im Bund Bildender Künstler. Sie war in der Erwachsenenbildung tätig und veranstaltete Kindermalkurse. Seit sie in den 1980er Jahren in Bonn lebte, hat sie sich besonders um die Förderung junger Künstlerinnen bemüht, war im örtlichen Vorstand der Gedok, der 1926 gegründeten Gemeinschaft Deutscher und Österreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen und hat von Beginn an im Bonner Frauenmuseum mitgewirkt. Sie hat ihre Bilder in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen gezeigt.

Im Verlauf der fünfziger Jahre entwickelte sie ihre eigene Bildsprache, die sie bis zum Ende ihres künstlerischen Schaffens vertiefte. Formal ist ihr künstlerisches Ziel, Farbmaterie zugleich zu verdichten und aufzulösen, so dass sie sich pulsierend in einem offenen Farbraum bewegt. Mit Vorliebe malte sie auf Papier oder Pappe, selten auf Holz.

Sie legte die Blätter auf ihren Zeichentisch, um dicht darüber gebeugt die aufgetragene, mit Terpentin leicht verdünnte Ölfarbe aus unmittelbarer Nähe zu bearbeiten. Diese intensive Versenkung in den malerischen Farbprozess wurde nur unterbrochen, um den Verlauf der Arbeit zu kontrollieren und insbesondere gegen dessen Ende die Gesamtgestalt des Bildes zu prüfen und zu korrigieren.

Sie hat zumeist eine bestimmte Bildfarbe bevorzugt, mit Vorliebe Schwarz-, Grau- und Brauntöne, die sie sporadisch farbig variierte. Statt der Vielfarbigkeit erkundete sie stets aufs Neue die reichhaltigen Nuancen einer Farbe oder auch zweier Farben in ihren unterschiedlichen Schattierungen und ihrer Veränderlichkeit im dichten Farbauftrag. Diese malerische Besonderheit ihrer Bilder bleibt selbst dort dominant, wo sie, hier nicht ausgestellt, figürliche Kopfformen andeutet oder Verszeilen integriert.

Die für sie charakteristische Vorgehensweise ist aber kein sich selbst genügender Formalismus. Vielmehr hat sie sie entwickelt, um die Spuren der Zeit, die sich ihr eingeprägt haben, bildlich zu veranschaulichen. Bereits die allmähliche Entstehungszeit der Bilder, wie sie in der Variation ihrer Farbigkeit sichtbar wird, verweist auf die Zeitlichkeit und damit auf die malerische Verarbeitung geschichtlicher Erfahrung. So wird auch deutlich, dass statt konkreter zeitgeschichtlicher Ereignisse ihre Bilder Hoffnungen und Enttäuschungen thematisieren, in der sich allgemeine und individuellen Geschichtserfahrungen vermischen. Die malerische Verarbeitung der persönlichen Schreckenserfahrungen der Naziverbrechen und des Krieges, die in ihrem Werk überall spürbar sind, verdeutlichen diesen Zusammenhang.

Wir verstehen ihre Kunst besser, wenn wir sie als ein Nachdenken über unsere Zeit begreifen, ein Nachdenken über den existenziellen Widerspruch, einerseits ihr ausgeliefert zu sein , andererseits sie nicht hinzunehmen, sondern selbst zu gestalten. Ein Hinweis mag dies veranschaulichen. Meine Mutter hat gern auf ihren Reisen alte Mauern und Häuserwände fotografiert und sich für ihre individuellen Bildfindungen von dem Zusammenklang von Hinfälligkeit und Dauer anregen lassen. Ihre Leidenschaft für das widersprüchliche und uneindeutige Panorama solcher Zeitspuren schlägt sich in der eigenwilligen Gestaltung ihrer Bilder nieder. Die vielfältigen Farbschattierungen, die schwebende Offenheit, aber auch die wie zufällig aufgetragenen Farbstriche oder Kratzspuren sind, Ausdruck ihrer persönlichen Zeiterfahrung.

Die vielfältigen malerischen Variationen, die sie erfindet, ermöglichen aber auch, uns mit unserer eigenen Zeitwahrnehmung auseinanderzusetzen. Erna Boulboullé war und ist eine der wenigen Künstlerinnen, die die bedeutungsoffenen Farbformen des Informel überwand, ohne dessen malerische Freiheiten aufzugeben.

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